Auf giga.de stellt der dortige Autor „ein paar unangenehme Fragen“ an die Gegner des staatlichen Rundfunksystems. Er geht zwar gleich davon aus, dass sich solche Personen „wahrscheinlich nicht mehr mit Argumenten zum Nachdenken oder Umdenken bewegen“ lassen. Ich erlaube mir aber trotzdem, diese Fragen zu beantworten.
Du liebst deine Heimat und die Region in der du aufgewachsen bist. Leider gehen Tradition und Brauchtum immer mehr verloren. Also schreibst du dem kalifornischen Headquarter eines US-Streaminganbieters, dass er bitte eine Doku-Reihe über deine geliebte Heimat produzieren soll. Wie wird seine Antwort darauf lauten?
Die Prämisse ist schon einmal richtig. Ich bin überzeugter Bayer und ja, ich liebe meine Heimat. Ich sehe es tatsächlich kritisch, dass Tradition und Brauchtum verloren gehen. Zugleich sehe ich aber nicht, dass diese nur mit staatlichem Fernsehen gerettet werden können.
Der Bayerische Rundfunk bietet eine gewisse Grundversorgung mit Bavarica an, das stimmt. Das ist aber kein Monopol der öffentlich-rechtlichen Sender. Im Gegenteil, der Markt liefert das, was gewollt wird. Außer mir gibt es viele Menschen, denen ihre regionale Kultur wichtig ist und diese auch im Rundfunk repräsentiert sehen wollen. Und so gibt es beispielsweise die Fernsehsender münchen.tv oder Servus-TV in Österreich.
Es gibt zahlreiche Angebote auf Youtube, die sich großer Beliebtheit in sozialen Medien erfreuen und darüber weite Verbreitung finden. Die Möglichkeit, hier etwas zu produzieren, ist derart niederschwellig, dass Unternehmen, Vereine oder auch Privatpersonen jederzeit einsteigen können. Auch ich habe, freilich als sehr kleiner Beitrag, einen Jura-Podcast auf Bairisch veröffentlich.
Hinzu kommt, dass derzeit ein erheblicher Teil der Nachfrage schon durch die staatlichen Sender befriedigt wird. Wer also das Fehlen eines privaten Angebots moniert, der sollte nicht dem Markt die Schuld geben, sondern dem Staat.
Du bist der PR-Manager eines Chemiekonzerns, der von dir erwartet, einen aktuellen Lebensmittelskandal zu vertuschen. Nun suchst du eine Redaktion, die gegen eine nette Summe Geld einen beschönigenden TV-Beitrag für dich dreht: Bei welchem Fernsehsender hättest du damit die besten Aussichten? Begründe deine Entscheidung gegenüber deinem Auftraggeber.
Bei jedem Fernsehsender hätte ich damit wohl gute Aussichten. Die Vorstellung, eine Redaktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wäre nicht käuflich, sondern absolut abjektiv, ist absurd. Wenn ich den Weg der Bestechung gehen will, dann finde ich dafür schon jemanden.
Davon abgesehen ist ein nettes PR-Filmchen noch lange nicht genug, um den Ruf eines Unternehmens zu retten. Dafür sind die Menschen heute einfach zu misstrauisch gegenüber den Medien. Kritische Berichte sind viel eher geeignet, einen bleibenden Eindruck beim Bürger zu hinterlassen. Und die Chance, dass es kritische Berichte gibt, ist größer, je größer der Markt ist.
Aber drehen wir diese Frage mal um: Du bist der Generalsekretär einer Regierungspartei und möchtest dein Image aufbessern oder das der Opposition beschädigen. Nun suchst du einen Parteifreund, der Einfluss auf einen Fernsehsender hat. Wo gelingt das wohl eher, beim privaten oder beim staatlichen Fernsehen?
Noch bist du vielleicht jung und gesund – aber irgendwann kommt das Alter und wirst schwerhörig: Welcher Medienkonzern lässt dich jetzt nicht eiskalt links liegen und bietet ein umfassendes Programm mit Untertiteln für Hörgeschädigte an, obwohl sich das betriebswirtschaftlich absolut nicht rechnet?
Ob es sich rechnet, weiß ich nicht. Aber ein kleiner Blick auf die verpönten Streamingdienste zeigt, dass dort sehr viele Filme mit Untertiteln angeboten werden. Übrigens nicht nur auf Deutsch. Das finde ich bspw. bei Originalversionen sehr praktisch, wenn ich mir den Film zwar auf Englisch anschauen will, aber der eine oder andere Darsteller einen ganz ungewöhnlichen Akzent hat.
Darüber hinaus kann ich mir Filme nicht selten auch auf Französisch, Spanisch oder Türkisch anschauen, was nicht nur Schwerhörigen, sondern auch Ausländern oder Schülern entgegenkommt.
Ein derart breites Angebot gibt es bei den öffentlich-rechtlichen Sendern (einschließlich deren Mediatheken) nicht.
Mal angenommen, der Rundfunkbeitrag wäre wie vieles andere auch eine (einkommensabhängige) Steuer, die direkt in die Staatskasse fließt. Dann hätten wir endlich ein echtes Staatsfernsehen, bei dem die Regierung das komplette Geld und damit das Sagen hat (Vorbild: Nordkorea). Glaubst du, wir kämen dann noch mit 17,50 Euro monatlich davon?
Sicher nicht. Darum will ich ja auch keine Steuer anstelle der derzeitigen Abgaben. Ich will tatsächlich, wie der Autor eingangs unterstellt, das Staatsfernsehen komplett abschaffen. Insofern ist die Frage völlig deplaziert.
Ob das öffentlich-rechtliche Fernsehen nun von Steuern oder von Abgaben abhängig ist, macht für die vermeintliche Unabhängigkeit jedenfalls keine großen Unterschiede.