Wahrscheinlich schon.
Zum Beginn des Jahres ist die Neufassung von § 4 Abs. 4 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags in Kraft getreten. Dieser sieht in seinen ersten beiden Sätzen vor:
Die Dauer der Befreiung oder Ermäßigung richtet sich nach dem Gültigkeitszeitraum des Nachweises nach Absatz 7 Satz 2. Sie beginnt mit dem Ersten des Monats, in dem der Gültigkeitszeitraum beginnt, frühestens jedoch drei Jahre vor dem Ersten des Monats, in dem die Befreiung oder Ermäßigung beantragt wird.
Das ist eine deutliche Abkehr vom bisherigen Prinzip, dass Ermäßigungen und Beitragsbefreiungen maximal zwei Monate zurückwirkten und für frühere Zeitpunkte praktisch „verfallen“ waren, sodass man den kompletten Beitrag zahlen musste.
Nicht ganz klar ist aber die Reichweite diese „rückwirkenden Befreiung“. Nach allgemeinen öffentlich-rechtlichen Prinzipien dürfte sie eigentlich nicht für Zeiträume gelten, die bereits bestandskräftig beschieden wurden, da diese unanfechtbar abgeschlossen sind.
Damit wäre diese neue Befreiungsmöglichkeit also nur in Fällen relevant, in denen überhaupt kein Festsetzungsbescheid ergangen ist oder der Widerspruch bzw. die Klage dagegen noch schwebt. Die Anwendbarkeit wäre damit sehr eng beschränkt.
Wahrscheinlich dürfte die Neuregelung eher dazu dienen, den Widerruf der bestandskräftigen Festsetzungsbescheide zu begründen. Ein Festsetzungsbescheid ist auch nur ein normaler Verwaltungsakt, sodass die Aufhebungsregelungen des jeweiligen Verwaltungsverfahrensgesetzes des Landes (zumindest analog) anwendbar sind. Die Festsetzungsbescheide waren zwar ursprünglich rechtmäßig (da eben kein Befreiungsantrag vorlag) und sind nun bestandskräftig, das hindert die Behörde aber gemäß dem in allen Ländern gleichen § 49 VwVfG nicht daran, ihn aufzuheben:
Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.
Nach der Aufhebung müsste dieser Verwaltungsakt auch nicht mit gleichem Inhalt neu erlassen werden, da eben nun ein rückwirkender Befreiungsantrag vorliegt.
Zu beachten ist allerdings, dass der Verwaltungsakt nur aufgehoben werden kann, nicht muss. Es liegt also im Ermessen der Behörde, hier der Landesrundfunkanstalt, ob sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Einen Anspruch darauf hat der Betroffene aber nicht. Allenfalls mit Hinweis auf die Gleichbehandlung kann verlangt werden, dass der eigene Fall genauso behandelt wird wie die der anderen.
Höchstwahrscheinlich werden die Landesrundfunkanstalten und der Beitragsservice hier aber eher kulant sein. Dass sie durch einen engen Ermessensgebrauch eine gesetzlich eigens eingefügte Regelung praktisch leerlaufen lassen, wäre höchst unverständlich und würde die geringe Akzeptanz eines durch Zwangsbeiträge finanzierten Rundfunks noch weiter senken. Aber auch hier könnte es sein, dass eine gewisse Hartknäckigkeit sinnvoll ist.
Wie diese neue Regelung in der Praxis umgesetzt wird, wird sich nach und nach zeigen.