Im gesamten Rundfunkrecht ist fast immer nur von Verträgen und fast nie von Gesetzen die Rede. Das ist zunächst einmal etwas irritierend, da wir es ansonsten gewohnt sind, dass unsere Pflichten gegenüber dem Staat in Gesetzen stehen.
Diese Rundfunkstaatsverträge werden aber zwischen den Bundesländern geschlossen. Auch die Bundesländer sind Staaten im Sinne der Definition, genauer gesagt teilsouveräne Gliedstaaten, und auch diese können Verträge (genannt Staatsverträge) schließen.
Staatsverträge funktionieren im Wesentlichen wie zivilrechtliche Verträge auch: Die Vertragsparteien vereinbaren etwas untereinander. In diesem Fall werden die Grundzüge des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, darunter auch die Beitragspflicht, vereinbart.
Da nur die Länder Vertragsparteien sind, nicht aber jeder einzelne Bürger, gelten diese Staatsverträge zunächst nicht gegenüber dem Bürger. Dieser kann zu einer Abgabe wie dem Rundfunkbeitrag nur durch Gesetz gezwungen werden – was seine Landesregierung aber an Verträgen abschließt, muss ihn nicht groß interessieren.
Daher verabschieden die Länder entsprechende Landesgesetze, durch die die Inhalte der Rundfunkstaatsverträge zum jeweiligen Landesrecht werden. Diese Gesetze stellen häufig nur fest, dass dem Vertrag zugestimmt wird und fügen den Vertragstext als Anlage zum Gesetz bei. Dies ist gängige Praxis bei der Umsetzung von völkerrechtlichen Verträgen auf allen möglichen Gebieten und wird als Transformationsgesetz bezeichnet.
Auf Bundesebene (wenn also nicht die Länder untereinander Verträge schließen, sondern die Bundesrepublik mit anderen Staaten) ist dies im Grundgesetz auch ausdrücklich geregelt:
Verträge, welche (…) oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, bedürfen (…) der Form eines Bundesgesetzes. (Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG)
Ähnliche, meist nicht ganz so ausdrückliche Bestimmungen finden sich in den verschiedenen Landesverfassungen, z.B. Art. 66 für NRW oder Art. 72 für Bayern.
Hier einige Beispiele für solche Zustimmungsgesetze:
- https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_vbl_detail_text?anw_nr=6&vd_id=13027&vd_back=N675&sg=0&menu=1
- https://www.bremische-buergerschaft.de/drs_abo/2016-02-24_Drs-19-306_68dc6.pdf?fref=gc&dti=490945900944031
- https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP16/Drucksachen/Folgedrucksachen/0000006500/0000006558.pdf?fref=gc&dti=490945900944031
Der Grund dafür ist klar: Gesetze dürfen nur im Wege der Gesetzgebung zustande kommen. Die Regierung darf also nicht einfach Verträge abschließen, die wie Gesetze gegen die Bürger wirken.
Im Ergebnis ist es also so, dass sich die Länder durch die Staatsverträge verpflichten, dass sie alle identische Gesetze im Rundfunkbereich abzuschließen. Statt aber nun jedes Land ein eigenes solches Gesetz schreiben zu lassen, beschließt man nur ein Zustimmungsgesetz und legt diesem den Staatsvertrag bei. Behandelt wird das aber trotzdem so, als hätte der Landtag den im Staatsvertrag stehenden Text selbst verabschiedet.
Nachdem alle Bundesländer dem nachgekommen sind, gilt also in ganz Deutschland das gleiche Rundfunkrecht. Aber könnte man dieses Ergebnis nicht einfacher haben, indem man einfach ein Bundesgesetz verabschiedet?
Das lässt die Kompetenzverteilung des Grundgesetzes nicht zu. Denn Art. 70 Abs. 1 GG sagt:
Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht.
Die Gesetzgebungsbefugnisse des Bundes sind in den Artikeln 72 bis 74 aufgezählt und umfassen zahlreiche (und immer zahlreicher werdende) Rechtsgebiete vom Wasserhaushalt über den Luftverkehr und das Sprengstoffrecht bis hin zu Jagdwesen und Kriegsgräbern. Das Rundfunkrecht ist jedoch nicht dabei. Im Gegenteil, Art. 23 Abs. 6 Satz 1 GG setzt sogar offensichtlich voraus, dass das Rundfunkrecht ausschließliche Länderkompetenz ist und sich die Länder gegenüber der EU selbst vertreten.
Darum dürfen und müssen die Länder das Rundfunkrecht also selbst regeln. Dass sich alle Länder vertraglich zu einem gemeinsamen Rundfunkrecht verbunden haben, dürfte wohl daran liegen, dass das ganze Konstrukt in Frage stünde, wenn nur ein einziges Land zeigen würde, dass es auch anders geht.
Zusammenfassung:
- Das Rundfunkrecht ist Ländersache und nicht Bundesrecht.
- Trotzdem haben die Länder ein einheitliches Rundfunkrecht untereinander vereinbart.
- Dies geschieht durch die Rundfunkstaatsverträge, die die Länder miteinander abschließen.
- Damit diese Verträge auch gegenüber dem Bürger gelten, müssen ihre Inhalte aber auch als Landesgesetz erlassen werden.
- Das geschieht durch die Zustimmungsgesetze der Landtage.