Im Zusammenhang mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem ist häufig von einer „Grundversorgung“ die Rede, die die staatlichen Fernseh- und Radiosender erbringen müssten. Was genau diese Grundversorgung erfasst, war schon des öfteren Gegenstand von Entscheidungen der Verfassungsgerichte. Deren Darlegungen sollen hier systematisch zusammengefasst werden.
4. Rundfunk-Urteil: Programmsparten
daß der klassische Auftrag des Rundfunks erfüllt wird, der neben seiner Rolle für die Meinungs- und politische Willensbildung, neben Unterhaltung und über laufende Berichterstattung hinausgehender Information seine kulturelle Verantwortung umfaßt. (4. Rundfunk-Urteil)
Diese Entscheidung legt zunächst einmal nur die Sparten des Rundfunks dar:
- Politik
- Unterhaltung
- Nachrichten
- Kultur
5. Rundfunk-Urteil: Details
Es muß im Prinzip dafür Sorge getragen sein, daß für die Gesamtheit der Bevölkerung Programme geboten werden, welche umfassend und in der vollen Breite des klassischen Rundfunkauftrags informieren, und daß Meinungsvielfalt in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise gesichert ist.
Wie sich aus den Darlegungen hierzu deutlich ergibt, bezeichnet der Begriff nicht eine Mindestversorgung, auf die der öffentlich-rechtliche Rundfunk beschränkt ist oder ohne Folgen für die an privaten Rundfunk zu stellenden Anforderungen reduziert werden könnte. Ebensowenig handelt es sich um eine Grenzziehung oder Aufgabenteilung zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk, etwa in dem Sinne, daß Programme oder Sendungen, die der Grundversorgung zuzurechnen sind, dem öffentlich-rechtlichen, alle übrigen dem privaten Rundfunk vorbehalten sind oder vorbehalten werden könnten.
Wesentlich sind (…) vielmehr drei Elemente: eine Übertragungstechnik, bei der ein Empfang der Sendungen für alle sichergestellt ist, bis auf weiteres mithin die herkömmliche terrestrische Technik; weiterhin der inhaltliche Standard der Programme im Sinne eines Angebots, das nach seinen Gegenständen und der Art ihrer Darbietungen oder Behandlung dem dargelegten Auftrag des Rundfunks nicht nur zu einem Teil, sondern voll entspricht; schließlich die wirksame Sicherung gleichgewichtiger Vielfalt in der Darstellung der bestehenden Meinungsrichtungen durch organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen. (5. Rundfunk-Urteil)
Diese Ausführungen sind nicht nur länger, sondern gehen auch viel mehr in die Details. Insbesondere sind folgende Anforderungen von Bedeutung:
- Empfangbarkeit durch übliche Technik
- nicht nur Mindestversorgung, sondern Vollprogramm
- Angebot für die Gesamtbevölkerung
- Meinungsvielfalt
- keine Abgrenzung staatliche/private Angebote
Hier geht es also nicht mehr nur um die Sparten, sondern auch um die technische und inhaltliche Ausgestaltung.
7. Rundfunk-Urteil: Üblichkeit
Grundversorgung bedeutet dabei weder eine Mindestversorgung noch beschränkt sie sich auf den informierenden und bildenden Teil des Programms. Sie ist vielmehr eine Versorgung mit Programmen, die dem klassischen Rundfunkauftrag entsprechen, wie ihn das Bundesverfassungsgericht mehrfach definiert hat (7. Rundfunk-Urteil)
Wiederholt wird hier die These, Grundversorgung sei keine Mindestversorgung. Im übrigen wird auch auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verwiesen. Zugleich findet aber, praktisch unbemerkt, eine ganz entscheidende Ausweitung statt: Das Programm definiert sich nun aus sich selbst heraus. Zur Grundversorgung gehören die Programme, die man üblicherweise erwarten darf.
Wie man also sieht, ist die Grundversorgung keineswegs eine grundlegende Versorgung mit notwendigen Informationen, sondern vielmehr ein umfassender Programmauftrag. Die öffentlich-rechtlichen Sender dürfen und müssen alles ausstrahlen, was man gemeinhin zum üblichen Radio oder Fernsehen zählt.
Nun könnte man meinen, dass diese Definition auf das „Übliche“ wenigstens eine Beschränkung dahingehend ist, dass sich das Programm nicht beliebig ausweiten darf, sondern auf dem status quo zu verbleiben hat. Das ist aber nicht so. Denn hier spielt die Bestands- und Entwicklungsgarantie, die das Bundesverfassungsgericht ebenfalls annimmt, eine Rolle.
6. Rundfunk-Entscheidung: Entwicklung und Ausweitung
Angesichts der schnellen Entwicklung des Rundfunkwesens, namentlich der Rundfunktechnik, würde eine auf den gegenwärtigen Zustand bezogene Garantie nicht ausreichen, die Wahrnehmung der Grundversorgungsaufgabe sicherzustellen. Die Garantie kann sich daher nicht auf die herkömmliche Technik der terrestrischen Übertragung beschränken.
Wenn neben diese andere Übertragungsformen treten oder sie verdrängen, wird auch die Nutzung der neuen Übertragungsformen von der Gewährleistung der Grundversorgung umfaßt. Dasselbe gilt für das Programmangebot der öffentlichrechtlichen Anstalten, das für neue Publikumsinteressen oder neue Formen und Inhalte offen bleiben muß. Gegenständlich und zeitlich offen und dynamisch ist der Begriff der Grundversorgung allein an die Funktion gebunden, die der Rundfunk im Rahmen des von Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Kommunikationsprozesses zu erfüllen hat. (6. Rundfunk-Urteil)
Daraus wird – obwohl das Urteil aus dem Jahr 1991 stammt – bspw. auch ein Recht gefolgert, sendungsbezogene Internetangebote einzuführen.
Korrektiv fehlt
Rein rechtlich gibt es daher wenig Zweifel daran, dass die öffentlich-rechtlichen Programme immer mehr und immer vielfältiger werden (dürfen). Ein regulierendes Korrektiv, das z.B. dafür sorgt, dass dem vielfältigen und wachsenden privaten Angebot Rechnung getragen wird und der Staat sich dementsprechend zurücknimmt, fehlt dagegen völlig.