Dürften die staatlichen Sender verschlüsselt werden?

Mit einer Verschlüsselung könnten die Staatssender zwischen Zahlern und Nichtzahlern unterscheiden.
Mit einer Verschlüsselung könnten die Staatssender zwischen Zahlern und Nichtzahlern unterscheiden.
In der Diskussion um eine Reform der GEZ wird immer mal wieder der Vorschlag aufgeworfen, man könne die öffentlich-rechtlichen Sender doch einfach verschlüsseln. Dann müsse man sie nicht abschaffen, aber auch nicht durch Zwangsbeiträge finanzieren. Wer diese Sender weiter sehen und unterstützen will, schließt eben freiwillig ein Abonnement ab und erhält Zugangsdaten oder ganz altmodisch einen Decoder.

Verstoß gegen die Informationsfreiheit?

Diesem Vorschlag wird teilweise entgegnet, das verstoße gegen die verfassungsrechtlich geschützte Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG:

Jeder hat das Recht, (…) sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.

Um die Informationsfreiheit zu verstehen, muss man sich zunächst einmal vor Augen führen, was sie nicht ist: Sie ist kein Leistungsrecht, der Bürger hat also kein Recht darauf, Informationen übergeben zu bekommen. Und sie garantiert auch keine kostenlosen Informationen.

Die Informationsfreiheit schützt den (nur) Bürger dagegen, dass der Staat ihn daran hindert, sich allgemein zugänglichen Quellen zu besorgen und sich dann daraus selbst zu unterrichten, also sich anhand der Informationen eine Meinung zu bilden. Insoweit gibt es eine enge Beziehung zur Meinungsfreiheit.

Welche Quelle ist allgemein zugänglich?

Kernfrage ist nun, was eine allgemein zugängliche Quelle ist. Das Bundesverfassungsgericht hat dies vor mehr als 50 Jahren (Beschluss vom 03.10.1969, Az. 1 BvR 46/65) und unter komplett anderen politischen Voraussetzungen geklärt:

Allgemein zugänglich ist eine Informationsquelle demnach, wenn sie „technisch geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, d. h. einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen.“

Es kommt also darauf an, dass der Herausgeber die Informationsquelle prinzipiell an jeden gelangen lassen möchte. Die ist auch der Fall, wenn – wie das die Regel ist – z.B. nur der eine Zeitung bekommen soll, der auch dafür zahlt. Auch gesetzlich zur Veröffentlichung bestimmte Inhalt sind allgemein verfügbar. Nicht allgemein verfügbar sind dagegen persönlich adressierte Briefe, private Aufzeichnungen, Verwaltungsanweisungen oder Behördenakten.

Leipziger Volkszeitung: Staatliche Verbotsentscheidung

Im zugrunde liegenden Fall ging es um eine Zeitung aus der damaligen DDR, die Leipziger Volkszeitung, deren Einfuhr in die Bundesrepublik verboten war. Daher musste das Gericht auch thematisieren, ob die Zugänglichkeit noch vorlag, wenn der Staat die Einfuhr der Zeitung verbietet – das BVerfG bejahte dies:

„Entscheidend ist allein die tatsächliche Art der Abgabe der Information, nicht die staatliche Bestimmung oder Verfügung. (…) Wenn die Informationsquelle an irgendeinem Ort allgemein zugänglich ist, mag dieser auch außerhalb der Bundesrepublik liegen, dann kann auch ein rechtskräftiger Einziehungsbeschluß nicht dazu führen, dieser Informationsquelle die Eigenschaft der allgemeinen Zugänglichkeit zu nehmen.“

In diesem Grundmodell haben wir also einen privaten Herausgeber (in dem Fall zwar die DDR-Regierung, aber diese stand der bundesdeutschen Regierung wie ein privater Dritter gegenüber) und einen privaten Empfänger einer Informationsquelle. Die Informationsfreiheit schützt gegen einen dazwischen tretenden Staat, der dem Empfänger verbietet, dass er sich die Informationen holt.

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Staat zensiert sich selbst

Würde der Staat also plötzlich anfangen, private Fernsehsender zu verschlüsseln, wäre dies ohne Zweifel ein Eingriff in die Informationsfreiheit.

Ohne GEZ-Gebühr kein Fernsehempfang? Nicht für jeden eine Horrorvorstellung.
Ohne GEZ-Gebühr kein Fernsehempfang? Nicht für jeden eine Horrorvorstellung.
Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk verhält es sich aber anders. Denn hier ist ja der Staat selbst der Herausgeber der Informationsquelle. Er tritt durch eine Verschlüsselung nicht zwischen Herausgeber und Empfänger, sondern modifiziert gerade die Herausgabe. Die staatlichen Sender senden dann nicht mehr ein frei empfangbares Signal an jeden, sondern nur noch an denjenigen, der über eine geeignete Empfangsvorrichtung (mit Abonnement) verfügt. Der Staat verhindert nicht das Einholen von Informationen, sondern er gibt mit der einen Hand Informationen und entzieht sie mit der anderen Hand wieder, sofern man nicht seinen Regeln folgt.

Ein Kernsatz der obigen BVerfG-Entscheidung ist: „Entscheidend ist allein die tatsächliche Art der Abgabe der Information, nicht die staatliche Bestimmung oder Verfügung.“ Die Rechtsprechung trennt also zwischen Informationsabgabe und staatlicher Regelung – wie dargestellt, weil der Herausgeber ja normalerweise nicht der Staat ist. Ist aber die Informationsabgabe bereits beschränkt, dürfte es sich schon um keine allgemein verfügbare Quelle handeln. Nimmt man dagegen an, dass auch ein solches Pay-TV eine allgemein verfügbare Quelle ist, weil ja praktisch jeder ein Abo abschließen kann, dann ist auch kein staatlicher Behinderungsakt erkennbar.

Insgesamt wird man wohl sagen müssen, dass die Informationsfreiheit voraussetzt, dass die Informationsquelle nun einmal ist wie sie ist. Wer sie wie gestaltet, ist dabei grundsätzlich unerheblich. Ein Eingriff liegt erst dann vor, wenn der Staat durch einen separaten Akt die schon herausgegebene Quelle in ihrer Verfügbarkeit weiter beschränkt.

Rechtfertigung eines eventuellen Eingriffs

Bejaht man einen Eingriff in die Informationsfreiheit, stellt sich die Frage nach der Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs. In diesem Bereich wird es dann endgültig sehr einsam in Bezug auf gerichtliche Entscheidungen. Der genannte „Leipziger Volkszeitung“-Beschluss befasste sich damit, dass ein Propagandamittel aus dem Ausland verboten werden sollte. Als Rechtfertigung für das Verbot wurden daher „Gefahren infolge des Informationsvorganges“ gefordert.

Auf den Fall, dass der Staat Propagandamittel aus dem Inland keineswegs verbieten, sondern nur Schwarzseher aussperren will, passt dieser Gesichtspunkt aber überhaupt nicht.

Dass die alte Rundfunkgebühr in ihrer Endphase auch für internetfähige PCs erhoben wurde, hat das Bundesverfassungsgericht für zulässig gehalten (Beschluss vom 22. August 2012, 1 BvR 199/11). Zwar greife es in die Informationsfreiheit ein, dass man für einen PC, mit dem man sich aus dem (frei zugänglichen) Internet informieren will, auch nolens volens die staatliche Rundfunksender finanzieren muss. Dies sei jedoch ein relativ unerheblicher Beitrag, der die Anschaffung von PCs kaum behindere und deswegen gerechtfertigt sei.

Eher keine Bedenken gegen Verschlüsselung

Auch diese Entscheidung zur Finanzierung des Rundfunks passt natürlich nicht eins zu eins auf eine Verschlüsselung. Wenn aber schon die Zahlung ohne tatsächliche Entgegennahme der Leistung für zumutbar gehalten wurde, dann dürfte das Verschlüsseln der Sendungen zum Erzwingen des (insoweit freiwilligen) Abo-Preises erst recht gerechtfertigt sein.

Insgesamt spricht daher wohl jedenfalls seitens der Informationsfreiheit nichts dagegen, die öffentlich-rechtlichen Sender komplett hinter einer „Paywall“ zu verstecken. Dass das Bundesverfassungsgericht das jemals definitiv entscheiden wird, ist mangels politischen Willens für eine solche Reform unwahrscheinlich.

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