Was bedeutet Sachsen-Anhalts Nein?

Sachsen-Anhalt stellt sich aktuell gegen die GEZ-Erhöhung.
Sachsen-Anhalt stellt sich aktuell gegen die GEZ-Erhöhung.
Sachsen-Anhalts Landtag wird der geplanten Erhöhung des Rundfunkbeitrags um knapp 2.000.000.000 Euro für die nächsten vier Jahre nicht zustimmen. Hier einige Fragen und Antworten zu dieser Thematik.

(Diese Seite wird nach und nach überarbeitet und ergänzt.)

Was genau hat der Landtag beschlossen?

Gar nichts. Es wurde lediglich entschieden, über die Zustimmung des Landes zum „Ersten Staatsvertrag zur Änderung medienrechtlicher Staatsverträge“ (Erster Medienänderungsstaatsvertrag) nicht abzustimmen. Der Tagesordnungspunkt wurde abgesetzt.

Was passiert, wenn der Landtag weiterhin nicht darüber entscheidet?

Dann bleibt es bei der jetzigen Rechtslage ohne die geplanten Änderungen. Ein wesentlicher Aspekt ist dann, dass der aktuelle Rundfunkbeitrag von 17,50 Euro pro Monat nicht steigt.

Woher kamen diese 86 Cent Beitragserhöhung?

Das entspricht den Festlegungen der „Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten“ (KEF). Diese hat den Finanzbedarf der Sender berechnet und ist so zu einem notwendigen Beitrag in Höhe von 18,36 Euro gekommen.

Wie berechnet die KEF den Bedarf?

Die Rundfunkanstalten melden zunächst ihren Bedarf an, berechnen und begründen also, wie viel Geld sie wofür benötigen. Diese Zahlen überprüft die KEF und stellt dann fest, welcher Finanzbedarf wirklich notwendig ist. Das Überprüfungsverfahren ist sehr kompliziert und wird der Öffentlichkeit kaum jemals verständlich und nachvollziehbar dargestellt.

Aktuell hätten die Rundfunkanstalten gerne 1,74 Euro mehr bekommen, die KEF sah aber nur gut die Hälfte als begründet an.

Ist die KEF wirklich unabhängig?

Teilweise. Die Mitglieder der KEF werden von den Regierungschefs der Länder ernannt, jedes Land stellt ein Mitglied. Die meisten Mitglieder sind ehemalige Abgeordnete, Regierungsmitglieder, sonstige Politiker oder Politik- oder Medienwissenschaftler. Man kann also davon ausgehen, dass sie alle zumindest im Grundsatz das System des staatlichen Rundfunks stützen.

Was hätte der Erste Medienänderungsstaatsvertrag sonst noch geändert?

Kernregelung ist die Beitragserhöhung in Artikel 1 Nr. 1. Daneben hätte es noch einige kleinere Änderungen bei der Finanzverteilung zwischen den Sendeanstalten gegeben (Art. 1 Nr. 2 und 3).

Erhöhen sich die Beiträge dann nur in den restlichen Bundesländern?

Nein, die Beitragserhöhung tritt dann in keinem Bundesland in Kraft. Art. 2 Abs. 2 des Medienänderungsstaatsvertrags besagt:

Dieser Staatsvertrag tritt zum 1. Januar 2021 in Kraft. Sind bis zum 31. Dezember 2020 nicht alle Ratifikationsurkunden bei der Staatskanzlei der oder des Vorsitzenden der Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder hinterlegt, wird der Staatsvertrag gegenstandslos.

Kann Sachsen-Anhalt seine Zustimmung noch nachholen?

Ja, wenn die Zustimmung bis 31.12.2020 erfolgt, tritt die Änderung wie geplant in Kraft.

Würde eine spätere Zustimmung nicht auch reichen?

Nein, da der Staatsvertrag sozusagen erlischt, wenn nicht alle Zustimmungen bis 31.12.2020 erfolgen. Ab dem 01.01.2021 gibt es nichts mehr, dem der Landtag zustimmen könnte.

Man müsste stattdessen einen neuen Staatsvertrag abschließen und anschließend alle Länderparlamente erneut zustimmen lassen.

Ist es nicht unsinnig, dass ein einzelnes Bundesland ein Veto-Recht hat?

Das ist ein Grundprinzip des Rundfunkrechts. Die Staatsverträge sollen sicherstellen, dass in allen Bundesländern gleiche Regularien gelten. Darum müssen diese stets einstimmig durch Zustimmungsgesetze in Landesrecht umgesetzt werden.

Mehr dazu: Warum gibt es eigentlich diese ganzen Staatsverträge?

Können die Rundfunkanstalten nun klagen?

Ja, sie können Verfassungsbeschwerde gegen die Unterlassung der Zustimmung erheben.

Woraus ergibt sich ein Recht der Rundfunkanstalten auf höhere Beiträge?

Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass sich die Rundfunkanstalten insoweit auf die Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) berufen können. Hieraus ergibt sich ein Recht auf Existenz der Sender und auf Finanzierung durch den Staat.

Warum können sich die Anstalten auf Grundrechte berufen?

Die Rundfunkanstalten sind öffentlich-rechtlich organisiert, also selbst Teil des Staates. Eigentlich können sich Behörden nicht gegenüber anderen staatlichen Organen auf Grundrechte berufen.

Das Bundesverfassungsgericht geht aber davon aus, dass es sich hier um eine Ausnahme handelt, weil der Rundfunkbetrieb die Kernaufgabe der Rundfunkanstalten ist. Zur Sicherung dieser Aufgabe können sie sich daher ausnahmsweise auf das Grundrecht berufen.

Mehr dazu: BVerfG, Urteil vom 27.07.1971, 2 BvR 702/68 (2. Rundfunk-Urteil)

Besteht nun ein Recht auf diese Beitragserhöhung?

Das kann man so allgemein noch nicht sagen. Die Finanzausstattung der Rundfunkanstalten darf deren Rundfunkfreiheit nicht gefährden und muss dazu beitragen, dass die Finanzierung ihres Sendeauftrags sichergestellt ist. Hierfür sind die Festlegungen der KEF der Maßstab, von diesen darf aber abgewichen werden, um die Belastungen für die Bürger in Grenzen zu halten. Dabei ist die allgemeine wirtschaftliche Lage ein zulässiges Kriterium. (BVerfG, 12. Rundfunk-Urteil)

Ist die Corona-Pandemie ein Grund für die Abweichung vom KEF-Vorschlag?

Das ist gerichtlich noch nicht entschieden.

Allerdings muss man wohl die aktuellen weitgehenden Einschränkungen des gesellschaftlichen und ökonomischen Lebens einschließlich der Prognosen bzgl. einer kommenden Finanzkrise beachten. Dass angesichts dessen die allgemeine wirtschaftliche Lage es nicht hergeben soll, die Bürger entlasten zu wollen, erschließt sich nicht ganz.

Vor allem wäre dann die Frage, welche allgemeine wirtschaftliche Lage überhaupt ausreichend wäre, um vom KEF-Vorschlag abzuweichen.

Wann wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden?

Das ist noch nicht absehbar. Wahrscheinlich wird das einige Monate dauern. Denkbar wäre aber auch eine Eilentscheidung.

Was würde passieren, wenn das BVerfG den Anstalten Recht gibt?

In diesem Fall wären die Bundesländer verpflichtet, erneut über die Beitragserhöhung zu entscheiden und die Rechtsansicht des BVerfG umzusetzen. Wahrscheinlich gäbe es dann eine Neuauflage des Staatsvertrags, dem dann alle Landtage zustimmen (müssen).

Kann das das Ende des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt bedeuten?

Das wird ziemlich sicher nicht passieren. Allerdings könnte es durchaus sein, dass eine Klage der Rundfunkanstalten auf mehr Geld während der Corona-Krise als ganz besonders instinktlos empfunden wird und so die allgemeine Akzeptanz des staatlichen Rundfunksystems noch weiter zurückgeht.

Können andere Länder auch gegen Sachsen-Anhalt klagen?

Das wird zumindest angedroht.

Als Argument wird dann die sogenannte Bundestreue ins Feld geführt. Zunächst einmal muss man sagen, dass die Bundestreue ein ziemlich schwammiges Prinzip ist, das eigentlich nur dann bemüht wird, wenn einem nichts Besseres einfällt.

Hier könnte man daran denken, dass die klagenden Bundesländer davon ausgehen, dass sie verpflichtet sind, die KEF-Empfehlung zu 100 % umzusetzen. Das wird ihnen nun unmöglich gemacht, weil der Staatsvertrag mangels Zustimmung aller Bundesländer nicht in Kraft treten wird. Sie werden also durch die Verweigerung Sachsen-Anhalts gezwungen, ihre Pflichten zu verletzen.

Dazu muss man aber auch sagen, dass die Länder sich bewusst in diese Situation begeben haben, indem sie eine bundeseinheitliche, über Staatsverträge abgesicherte Lösung gewählt haben. Da kann es immer passieren, dass ein Land ausschert. Wenn es so kommt, aus der Bundestreue eine Zustimmungspflicht ggü. den anderen Ländern zu konstruieren, erscheint dann widersprüchlich.

Was bedeutet die Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22.12.2020?

Das wird hier beantwortet.

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