Eine häufige Entgegnung auf Forderungen nach einer Abschaffung des staatlichen Rundfunks ist, dass es eine verfassungsrechtliche Bestandsgarantie für diese gebe. Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes verlange, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk quasi in alle Ewigkeit bestehe. Ergänzt wird diese Bestandsgarantie dann häufig noch um eine Entwicklungsgarantie, die dessen Anpassung an neue technische und gesellschaftliche Gegebenheiten verlange.
Ist der staatliche Rundfunk also etwas, das uns bis in alle Ewigkeiten verfolgen wird, auch dann noch, wenn niemand mehr weiß, was eigentlich ein Fernseher ist?
BVerfG hat Bestandsgarantie erfunden
Zunächst muss man festhalten, dass das Grundgesetz – weder in Artikel 5 noch sonst irgendwo – den öffentlich-rechtlichen Rundfunk festschreibt. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings in seinem 4. Rundfunk-Urteil eine solche Bestandsgarantie entwickelt. In Leitsatz 1a dieser Entscheidung heißt es:
In der dualen Ordnung des Rundfunks, wie sie sich gegenwärtig in der Mehrzahl der deutschen Länder auf der Grundlage der neuen Mediengesetze herausbildet, ist die unerläßliche „Grundversorgung“ Sache der öffentlich-rechtlichen Anstalten, deren terrestrischen Programme nahezu die gesamte Bevölkerung erreichen und die zu einem inhaltlich umfassenden Programmangebot in der Lage sind. Die damit gestellte Aufgabe umfaßt die essentiellen Funktionen des Rundfunks für die demokratische Ordnung ebenso wie für das kulturelle Leben in der Bundesrepublik. Darin finden der öffentlich-rechtliche Rundfunk und seine besondere Eigenart ihre Rechtfertigung. Die Aufgaben, welche ihm insoweit gestellt sind, machen es notwendig, die technischen, organisatorischen, personellen und finanziellen Vorbedingungen ihrer Erfüllung sicherzustellen.
Staatssender nehmen bestimmte Rolle ein
Diese Festlegung lässt sich, wie sehr oft, Schritt für Schritt von hinten nach vorne am besten verstehen:
- Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss für seine Aufgaben die notwendigen Ressourcen erhalten.
- Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat im Gegensatz zu privaten Medien eine besondere Eigenart,
- nämlich die Demokratie und die Kultur zu unterstützen.
- Diese öffentlich-rechtliche Grundversorgung ist ein Pfeiler des dualen Rundfunksystems,
- das derzeit durch die Landesmediengesetze festgesetzt wird.
Das bedeutet also, dass die staatlichen Sendeanstalten nicht um ihrer selbst Willen existieren. Sie nehmen eine ganze bestimmte Rolle innerhalb eines derzeit bestehenden Systems ein. Dieses duale System weist den öffentlich-rechtlichen Sendern die Grundversorgung (die aber nicht nur eine Mindestversorgung ist) zu, während private Sender darüber hinaus ein spezialisierteres und weniger umfassendes Programm anbieten können. Die Rundfunkanstalten können sich, was für staatliche Einrichtungen eher ungewöhnlich ist, insoweit auch auf die Rundfunkfreiheit berufen.
Bestandsgarantie nur innerhalb des dualen Rundfunks
Aber: Diese Rechtsposition und diese Bestandsgarantie steht und fällt mit dem dualen Rundfunksystem.
Nur, solange es den dualen Rundfunk gibt, hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk genau diese Rolle inne. Historisch kann man freilich davon ausgehen, dass das Bundesverfassungsgericht einen rein-privaten Rundfunk für kaum denkbar gehalten und den dualen Rundfunk lediglich als Alternativ zu einem rein-staatlichen Rundfunk angesehen hat.
Aber auch im 14. Rundfunkurteil führt das BVerfG noch aus:
Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommt im Rahmen der dualen Rundfunkordnung die Erfüllung des klassischen Funktionsauftrags der Rundfunkberichterstattung zu.
Das mag einem nun etwas komisch vorkommen: Der duale Rundfunk wurde durch die Entscheidung der Länder geschaffen, diesen so zu wollen. Er wird durch neue Entscheidungen der Länder aufrecht erhalten, indem sie sich immer wieder zur Erneuerung der entsprechenden Staatsverträge entschließen und denen gesetzlich zustimmen. Und aus diesen Ländergesetzen soll nun ein Grundrecht auf Bundesebene werden?
Ende des dualen Rundfunks möglich
Einerseits ist das dogmatisch tatsächlich nicht ganz stringent und durchaus ein gutes Argument gegen dieses hohe Schutzniveau, das das Bundesverfassungsgericht hier einzieht. Andererseits kann man es aber durchaus verstehen, dass ein Akteur in einem festgefügten gesetzlichen System auch verfassungsrechtlich abgesichert werden soll.
Diese grundrechtliche Absicherung gilt aber eben nur innerhalb des Systems. Sie dient der Umsetzung der öffentlich-rechtlichen Säule des dualen Rundfunks. Fällt das System, fällt damit auch das damit speziell assoziierte Grundrecht. Dementsprechend kann es aber auch kein Grundrecht des staatlichen Rundfunks auf ewige Existenz geben. Dies würde ja bedeuten, dass das einmal durch Gesetz eingeführte System durch das Verfassungsrecht „eingefroren“ würde – das kann weder die Absicht des Verfassungsgebers noch des Gesetzgebers gewesen sein:
- Das Grundgesetz hat keine Entscheidung über die Organisation des Rundfunks getroffen und diese Kompetenz auch gar nicht dem Bund zugewiesen.
- Die Landesparlamente wollten ihre Entscheidungshoheit sicher nicht endgültig dem Bund (genauer: dem Bundesverfassungsgericht) überantworten.
Daher hätten die Landesparlamente es also durchaus in der Hand, sich für eine Abkehr vom bisherigen teil-staatlichen Rundfunk zu entscheiden und die öffentlich-rechtlichen Sender abzuschaffen. Dagegen dürften sich die Rundfunkanstalten jedenfalls nicht vor dem Bundesverfassungsgericht wehren können.